Frage: Dürfen der Berechnung des
Jahres-Primärenergiebedarfs eines Nichtwohngebäudes eigene, individuell
entwickelte Nutzungen zugrunde gelegt werden? Dürfen die Nutzungsrandbedingungen
der DIN V 18599 Teil 10 (2007 - 02) Tabellen 4 bis 6 verändert werden?
Antwort der Projektgruppe EnEV der Fachkommission "Bautechnik" der
Bauministerkonferenz vom 9. Dezember 2009, veröffentlicht am 17. Dezember 2009:
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Ausgangslage
Die EnEV unterteilt die vielfältigen möglichen Nutzungsarten von
Nichtwohngebäuden für Zwecke der Berechnung des
Jahres-Primärenergiebedarfs in unterschiedliche Nutzungen (DIN V
18599 - 10 Tabelle 4). Diesen Nutzungen werden jeweils gemeinsame
(Tabelle 5) und spezielle (Tabellen 4 und 6)
Nutzungsrandbedingungen zugeordnet. Im Folgenden werden die
Nutzungen auch als „Katalognutzungen“ bezeichnet.
Wird der Jahres-Primärenergiebedarf eines konkreten
Nichtwohngebäudes berechnet, ist das Gebäude einer oder ggf. -
im Rahmen der Zonierung - mehreren der Nutzungen zuzuordnen. Die
jeweils der Nutzung zugeordneten Nutzungsrandbedingungen dürfen
vom Anwender im Einzelfall grundsätzlich nicht abgewandelt
werden. Dies ergibt sich aus der Bestimmung in Anlage 2 Nr.
2.1.2 Satz 1 EnEV. Diese Vorgabe des Verordnungsgebers verdrängt
die Öffnungsklausel
zugunsten individueller Nutzungsrandbedingungen im technischen
Regelwerk (siehe DIN V 18599 - 10 Abschnitt 6, erster Absatz sowie
Überschrift zu Tabelle 4 „Richtwerte“).
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Abweichende Nutzungen und Nutzungsrandbedingungen
Es
sind Gebäudenutzungen denkbar, die entweder keiner typisierten
Nutzung zugeordnet werden können oder die zwar einer bestimmten
Nutzung zuzuordnen sind, deren konkrete „Betriebsbedingungen“
aber von den typisierten Nutzungsrandbedingungen der o. g.
Tabellen abweichen. Hier sind folgende Grundsätze zu beachten:
a) Abweichende Nutzungen
Für den Fall einer von Tabelle 4 abweichenden Nutzung lässt
Anlage 2 Nr. 2.2.2 EnEV zwei alternative Vorgehensweisen zu:
„Für Nutzungen, die nicht in DIN V 18599 - 10:2007 - 02
aufgeführt sind, kann
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die Nutzung 17 der Tabelle
4 in DIN V 18599 - 10:2007 - 02 verwendet werden oder
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eine Nutzung auf der
Grundlage der DIN V 18599 - 10:2007 - 02 unter Anwendung
gesicherten allgemeinen Wissensstandes individuell
bestimmt und verwendet werden.
In Fällen des Buchstabens b sind die gewählten Angaben zu
begründen und dem
Nachweis beizufügen.“
Buchstabe a beschränkt sich nach seinem Wortlaut auf eine
abweichende Nutzung.
Ein Recht zur Abwandlung der typisierten
Nutzungsrandbedingungen für die Nutzung
17 sieht die Bestimmung nicht vor. Wer diese Alternative
anwendet, muss die
vorgegebenen Nutzungsrandbedingungen verwenden.
Die durch Buchstabe b eröffnete Möglichkeit, eine
individuelle Nutzung zu entwerfen,
schließt grundsätzlich auch die Entwicklung individueller
Nutzungsrandbedingungen
ein. Buchstabe b ist nicht anwendbar, wenn die konkrete
Nutzung einer der
Nutzungen der Tabelle 4 zugeordnet werden kann (und damit
auch muss).
b)
Abweichende Nutzungsrandbedingungen
Im Zusammenhang mit einer Katalognutzung kann der EnEV keine
Erlaubnis zur Verwendung spezieller Nutzungsrandbedingungen,
die von den typisierten Nutzungsrandbedingungen der
genannten technischen Regel abweichen,
entnommen werden. (Ausnahme: Für die Nutzungen 6 und 7
(Einzelhandel/Kaufhaus) darf die im Einzelfall tatsächlich
auszuführende Beleuchtungsstärke in den Berechnungen
angesetzt werden – vgl. Anlage 2 Nr. 2.1.3 EnEV). Eine
individuelle Abwandlung von Nutzungsrandbedingungen für eine
Katalognutzung ist damit grundsätzlich unzulässig.
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Vorgehen in Fällen einer abweichenden Nutzung
Bei
Anwendung des Buchstaben b der Anlage 2 Nr. 2.2.2 EnEV (oben 2a)
gilt Folgendes:
Die
Angaben für Nutzungsrandbedingungen in Tabelle 4 der DIN V
18599 - 10: 2007 - 02 beruhen auf den jeweils zugehörigen
Nutzungsprofilen in Anhang A dieses Normteils. Die Herleitung
der Angaben in Tabelle 4 kann damit transparent nachvollzogen
werden. Soll bei einer Berechnung eine individuelle Nutzung
zugrunde gelegt werden, ist diese analog dazu herzuleiten. Es
ist vor allem zu beachten, dass es sich bei den einzelnen
Randbedingungen nicht um die aus anderen technischen
Regeln bekannten Grundlagen für die Bemessung der verwendeten
Anlagentechnik (z. B. Heiz - oder Kühllasten), sondern um jeweils
mittlere, bei der Nutzung regelmäßig zu erwartende
Betriebsbedingungen handelt. Unabhängig von der statischen
Verweisung der EnEV auf die Ausgabe 2007 - 02 der DIN V 18599 - 10
kann davon ausgegangen werden, dass neue Nutzungsprofile „auf
der Grundlage der
DIN V 18599 - 10:2007 - 02 unter Anwendung gesicherten allgemeinen
Wissensstandes“ entwickelt wurden und ihre Anwendung in
Einzelfällen im öffentlichrechtlichen Bereich somit zulässig
ist, wenn das Nutzungsprofil unter Berücksichtigung des neuen
„Teil 100“ der DIN V 18599 erarbeitet worden ist und soweit die
in Anlage 2 Nr. 2.2.2 EnEV dargestellten Bedingungen vorliegen.
In „Teil 100“ werden Profile aus dem Gewerbe - und dem
Gesundheitsbereich behandelt, die im Rahmen eines vom Bundesamt
für Bauwesen und Raumordnung beauftragten Forschungsprojektes in
Einklang mit DIN V 18599 - 10:2007 - 02 entwickelt wurden.

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